Was machen Sie hier eigentlich,
was für ein Projekt ist das ?
Ich lade Cornelia und Reinhard zu einem Gespräch ein. Sie
haben aber nur kurz Zeit, Cornelia hat gleich einen Zahnarzttermin.
Ich erkläre worum es in diesem Projekt geht. Cornelia erinnert
sich an die Araki Arbeiten .
Sie findet, daß bei diesen Darstellungen die Grenze dessen,
was öffentlich gezeigt werden kann übersprungen war.
Ich möchte selbst entscheiden, ob ich mit so etwas konfrontiert
werden möchte oder nicht. Das kann man in einem Museum zeigen,
aber nicht mitten in der Stadt. Ich denke, das ist bei vielen Leuten
auf Ablehnung gestoßen, auch wenn sie sich nicht geäußert
haben. Ich persönlich habe das Eingreifen für gerechtfertigt
gehalten. Ja, ich war sogar fast erleichtert als ich es gesehen
habe. Hier geht es nicht um Diskussion, ich hatte eher das Gefühl
mich zur Wehr setzen zu müssen.
Ich erinnere mich an mein Gespräch mit Margret: "defensiv"
war ihre Beschreibung für die Übermalung. Das entspricht
Cornelias Empfindung.
Ich habe mich ohnmächtig gefühlt, und ich hätte
gern selbst gesprüht.
Warum hast du es nicht gemacht?
Ich wollte nicht verhaftet werden, aber ein Bedürfnis wäre
es mir schon gewesen.
Das Bedürfnis sich einzumischen kann auch ausgelöst
werden durch Arbeiten, die weniger betroffen machen. (Ich
zeige die Arbeit von N55)
Grundsätzlich finde ich das gut, wenn der Betrachter mit einbezogen
wird und aktiv werden kann. Ich denke man muß weg von dem
Gedanken, daß Kunst elitär ist. Es ist Aufgabe der Kunst
zu provozieren, aber wie sehen die Grenzen für diese Reibung
aus, das ist schwierig zu definieren.
Wäre ein möglicher Grenzpunkt die Darstellung von
Gewalt?
Nein, das kann man so auch nicht sagen, denn andererseits ist Gewalt
ja ein Teil unserer Realität. Es ist wirklich schwierig abzugrenzen
wo ist stop. Ich persönlich kann besser damit umgehen, wenn
Dinge nur angedeutet sind.
"Kunst im öffentlichen Raum" könnte es sich
hierbei um eine Form von Dialog handeln?
Hierbei gibt es sichtbare und unsichtbare Reaktionen. Ich denke,
der Künstler müßte zur Reaktion des Publikums auch
Stellung nehmen in einer Form, die die Masse auch erreicht.
Der Künstler bzw. die Verantwortlichen haben in diesem Fall
mit Entfernen und Ersetzen durch eine andere Arbeit reagiert.
In diesem Fall fand ich das eine glückliche Lösung. Andererseits
muß ich natürlich auch sehen, daß ein Künstler
das Recht hat, daß seine Arbeit unbeschädigt bleibt.
Das Kunstobjekt ist seelisches, gedankliches, physisches Eigentum
des Künstlers, und es steht mir nicht zu Hand anzulegen.
Ich kann das Spannungsfeld, von Rechtsbewußtsein und emotionaler
Empörung, das Cornelia beschreibt gut nachvollziehen. Ich denke
an meine eigenen anarchistischen Gedanken und an Zorro und Robin
Hood. Jemanden an diese Grenze zu bringen, glaubst du, das
könnte Teil eines künstlerischen Konzepts sein?
Wenn ich die Wahl gehabt hätte zwischen Spraydose und Gespräch,
ich glaube, ich hätte das Gespräch gewählt. Aber
um mir diese Spannung grundsätzlich bewußt zu machen,
denke ich, hätte ich diese Arbeit nicht gebraucht.
Cornelia kommt zu spät zu ihrem Zahnarzttermin. |